Guatemala - Ganz ungeplant

Aktualisiert am: 25. Februar 2021

 

 

Kaum über die Brücke gefahren, bietet sich im Grenzörtchen EL CARMEN in Guatemala ein vollkommen anderes Bild. Es ist extrem wuselig, laut, überall wird an Straßenständen gekocht, es werden uralte Fahrzeuge in Massen von Mexico hierhin abgeschleppt, um irgendwo in diesem Land wieder fahrtauglich gemacht zu werden. Viele Tuk Tuks tuckern um einen herum, zwischendurch etliche Fußgänger, die im Vorbeigehen lautstark auf Jumpy klopfen und ein paar Polizisten, die ein bisschen Ordnung in das Chaos bringen. Uiuiui! Ganz schön viel auf einmal, geradezu nepalesisch-indische Verhältnisse! Und das nach so vielen Nächten mit wenig Schlaf und der ganzen Aufregung, wie es denn nun in Guatemala so zugehen wird. Eine Pandemie, ein langer strenger Lockdown von 7 Monaten, zwei Hurricanes, die in ein paar Gegenden verheerende Schäden angerichtet haben sollen und dann noch die ohnehin schon recht arme Bevölkerung. Die Frage, inwieweit das hier jetzt wohl die richtige Entscheidung gewesen ist, sich auf dieses Land einzulassen, macht auf jeden Fall nervös. Und ob der Grenzbeamte auch mit unserem Schnelltest glücklich ist oder ob der gar nicht erst akzeptiert wird, wir wieder nach Mexico reinmüssen, um den PCR-Test zu machen, das steht auch noch in den Sternen. Komfortzone geht anders! 

 

Zumindest wir haben schneller unseren Einreisestempel im Pass als wir gucken können. Trotz des Gewusels drumherum ist am Schalter für die Immigration nichts los und der Beamte guckt bloß, ob „negativ“ auf den Tests steht. Zack, das war’s! 

 

 

Jumpy in das Land zu bekommen, wird aber ziemlich langwierig. Torben kümmert sich um die Formalitäten, ich bleibe beim Auto, da wir hier nicht gerade ein gutes Gefühl dabei haben, unseren treuen Gefährten allein zu lassen. Die üblichen Geschichten, die andere Reisende einem leider vorweg mit auf den Weg gegeben haben, tragen nicht gerade zur Beruhigung oder dem Willen, das Auto auf einem Parkplatz abzustellen bei. So bleibe ich mit Jumpy am Straßenrand stehen und habe nicht das Gefühl, dass dies irgendwie von Vorteil ist. Da Torben überhaupt nicht wiederkommt, geben mir die Polizisten zu verstehen, dass nun mal langsam ein Strafzettel fällig wird. Wo bleibt der Kerl bloß? Ewigkeiten später erst lässt er sich blicken und meint, der Geldautomat wäre leer und jetzt müsste er mit einem Taxi in den nächsten Ort fahren, um dort Geld zu holen. Aber auch für diese Fahrt haben wir ja noch keine Quetzales. Irgendwann später wird der Automat aber doch aufgefüllt, die lange Schlange davor will auch Geld ziehen und als Torben dran ist, funktioniert seine Karte nicht. Er gibt mir Bescheid, ich muss mich erneut anstellen und bekomme wenigstens mit meiner Karte die ersehnten Scheine. Muss ich davon nun ein Ticket an die Polizei zahlen? Vor allem, nachdem sie mich sogar ein paar Mal neu am Straßenrand eingewiesen haben, um dem Verkehr möglichst wenig im Weg zu stehen, anstatt mich von dort zu verscheuchen. Nee, die wollen nichts, die haben wohl Mitgefühl mit uns, dass es grade nicht rund läuft. Zumindest können wir nun zur Fahrzeug-Einfuhrstelle vorfahren. Auf einmal kommt aber ein Typ zornig angerannt, bollert aufs Auto und wir sollten doch gefälligst an ihn die Strafe zahlen. Nix da, wenn das hier schon die Polizei nicht interessiert! Die Beamten weisen ihn zurück und wir können weiter. 

 

Jetzt sollte es schnell gehen, könnte man meinen. Aber Torben kommt erneut ewig nicht zurück. Jetzt wird das dusselige Datum, das auf dem Farzeugschein den nächsten TÜV-Termin kennzeichnet, zum Problem, da die Beamtin diesen für den Ablauf des Dokuments hält und damit Jumpy nur noch 6 Wochen im Land bleiben könne im Gegensatz zu uns mit 3 Monaten. Wieder große Diskussion. Irgendwann bekomme ich sie überzeugt inkl. Bestätigung durch die Übersetzungs-App, dass das bloß der nächste HU-Termin ist. Ein paar Kopien später, ist nun das Thema, dass sie nicht glaubt, dass Jumpy Baujahr 2018 ist. Das wäre doch ein altes Modell. Ja, sieht so aus, isses aber nicht. Ein paar Mal zum Auto hin und her wegen dieser und weiterer Fragen ist das ebenfalls geregelt. Irgendwann dürfen wir dann mal für die Einfuhr bezahlen, müssen davon auch wieder ne Kopie machen, der Laden ist aber mittlerweile zu. Die Einreise scheitert jetzt aber nicht an dieser einen Kopie, oder?! Am Schalter wird diese aber doch noch für uns gemacht und dann bekommen wir endlich den Einfuhr-Aufkleber fast mitten ins Gesichtsfeld der Frontscheibe geklebt sowie die Zollpapiere in die Hand gedrückt. Fertig! Wir auch! Nach insgesamt 6 1/2 Stunden reines Grenzprozedere auf beiden Seiten, plus noch den Test machen und das Ergebnis abwarten, plus den ganzen Kopf, den man sich vorher um alles macht, dürfen wir endlich ins Land fahren! Kaum einen Kilometer voran gekommen - es ist mittlerweile stockduster geworden - steht eine Polizeikontrolle am Wegesrand und sie halten natürlich ganz zielstrebig uns statt andere an. Sie wollen alle Papiere sehen. Wie sollen wir denn sonst über die Grenze gekommen sein? Fliegen kann Jumpy noch nicht! Müde lassen wir auch das über uns ergehen, aber es ist alles in Ordnung und wir dürfen weiter. Die letzte Frage dieses aufreibenden Tages ist, ob wir nun auf dem Hinterhof eines China-Restaurants nicht weit hinter der Grenze parken dürfen. Davon hatten wir gelesen und hoffen nun auf ein erlösendes OK. Oder hat das jetzt zu oder erlauben die das nicht mehr und wir müssen im Dustern noch was suchen? Aber eine kleine chinesische Oma kommt lächelnd ums Eck und heißt uns herzlich Willkommen. Zum Dank essen wir auch gleich dort und fallen schließlich groggy ins Bett. Wir haben’s tatsächlich nach Guatemala geschafft!

 

 

Nachdem wir ziemlich gut geschlafen haben, wollen wir heute gleich die Etappe bis zum Lago Atitlan fahren und uns dort über Weihnachten und Silvester entspannen. Auf einer Website war zu lesen, dass an den Grenzen der erstaunlich vielen Bundesländer auch auf einen Corona-Test geachtet wird. Solange unser jetzige noch gültig ist, wollen wir das ausnutzen. Allerdings, wie will das Land die Test-Kontrolle für alle Einheimischen bewerkstelligen, die von A nach B wollen? Und es wollen viele von A nach B! Kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das machen, aber in diesen Zeiten weiß man ja nie. Und was ist? Es interessiert sich keine Sau für einen Test. Man merkt nichtmal, wenn man von einem Bundesstaat in den nächsten fährt. Mann, Mann, Mann, diese wirren Infos immer…

 

Eigentlich würden wir von der Distanz her nur 2-3 Stunden brauchen bis zum Lago. Aber die meiste Zeit nüdeln wir hinter langsamen LKWs die Serpentinen hoch. So haben wir widerum die Gelegenheit, in den Ortschaften mehr die Einheimischen zu beobachten und ein Gefühl für Land und Leute zu bekommen. Und das Ergebnis fällt sehr positiv aus. Aus irgendeinem Grund wirkt das alles hier noch etwas friedlicher als in Mexico, die Leute winken uns wieder fröhlich zu und auch die Polizei- und Militärkontrollen grinsen nur und lassen uns unbehelligt weiterfahren. Langsam setzt ein Gefühl der Entspannung ein.  

 

Leider braucht unser Kühlschrank eine neue Befüllung, so dass wir noch durch den dicken Verkehr in Quetzaltenango müssen. Aber der Supermarktinhalt gefällt uns schonmal sehr gut. Das Gemüse und Obst ist wesentlich frischer als in Mexico und auch sonst gibt es mal wieder Produkte, die wir schon lange nicht mehr hatten. 

 

 

Die letzte Etappe des Tages führt lange kontinuierlich bergab, die Bremsen werden ordentlich beansprucht. Am Ende geht es sogar so steil die verdammt engen Haarnadelkurven hinunter, dass die Bremsen heiß laufen und sie am Ende ein paar Mal erst beim 2. Versuch greifen. Und das bei der Steigung… Die Motorbremse allein reicht nicht, Jumpy schiebt mit seinem Gewicht ganz ordentlich und es gibt kein Fleckchen, um mal an die Seite zu fahren und die Untersetzung hinzuzuschalten. Ich seh uns schon frontal in die Leitplanken knallen und quasi direkt den Berg hinunter nach San Marcos rollen… Ein Horrortrip ist das hier runter... Aber dann die Erlösung, es wird endlich wieder gerader und wir erreichen im Dunkeln unser Ziel am LAGO ATITLAN

 

Bei Tageslicht zeigt sich, dass unser auserwählter Platz hier ganz wunderschön angelegt und die Aussicht auf den riesigen Kratersee mit einigen Vulkanen drumherum fantastisch ist. Eine gute Wahl, hier die Feiertage zu verbringen und einen Einstieg in das noch unbekannte Land zu bekommen. Statt Schneeflocken fliegen Schmetterlinge und Kolibris um uns herum und statt winterlicher Temperaturen ist es auch hier tags wie nachts über sommerlich, bunte Blumen blühen überall. So lasse ich mir einen Dezember gefallen!

 

 

Fußläufig gut zu erreichen liegt das Dorf SAN MARCOS LA LAGUNA. Dies wirkt, als hätten sie 1968 die Zeit gestoppt, da sich hier eine Menge Hippies tummeln. Sie sehen auch unverkennbar so aus mit ihren Rastalocken, den typischen Klamotten, die es in diesem Ort an jedem 2. Stand zu kaufen gibt wie auch den bunten, auf die Stirn geklebten Steinchen. Ein paar von ihnen tanzen seelig grinsend in einem Café zu spiritueller Musik. Sieht so wohl Erleuchtung aus? Die auch hier beliebten Mauerbemalungen sind oft esotherisch gestaltet und überall hängen kleine Werbeplakate für Yoga-Seminare, Klang-Therapien u.ä. Das Ganze wird herrlich schräg gemixt mit der hiesigen Maya-Kultur. Die indigene Bevölkerung trägt noch ihre ganz traditionelle, handgewebte Kleidung, man findet ebenso kulturell gesprägte Streetart und die Frauen balancieren noch alles auf dem Kopf durch die Gegend. Diese bunte Mischung erzeugt ein bisschen das Gefühl, als wären wir in Nepal oder Indien. Gleichzeitig unterstützt das auch den Eindruck von Friede, Freude, Eierkuchen. Kann ich gerade prima mit leben!

 

Obst und Gemüse vom Stand haben tatsächlich auch endlich mal wieder Geschmack. Ich weiß gar nicht, in welchem Jahrzehnt ich das letzte Mal eine Tomate gegessen habe, die auch nach Tomate schmeckt!!! Fantastisch!

 

 

Wir haben einen neuen Nachbarn, Fabian aus der Schweiz. Er ist mit Motorrad und Zelt schon seit 5 Jahren unterwegs. Mit ihm erkunden wir die mit dem Boot schnell erreichbaren Orte am See wie z.B. SAN PEDRO LA LAGUNA, wo wir uns ins Wochenmarktgetümmel stürzen. Das muss für derzeitige europäische Verhältnisse wie eine Massenveranstaltung aussehen im Vergleich zu den wohl gerade leergefegten Straßen. Einige Tuk-Tuk-Rückbänke werden auch gern mal doppelt mit Fahrgästen besetzt, übereinander gestapelt versteht sich. Sicherheitsabstand definiert sich hier in Mikrometern, Masken werden auch nur von der Hälfte der Leute getragen und trotzdem steigt die Zahl der Corona-Fälle angeblich nicht an. So kann’s auch gehen!

 

Es heißt, dass die verschiedenen Dörfer am See solch unterschiedliche Maya-Sprachen sprechen, dass die Bewohner des einen Ortes diejenigen des gegenüberliegenden überhaupt nicht verstehen. Ich hätte ja mit verschiedenen Dialekten gerechnet, aber dass es so viele Sprachen gibt, ist schon erstaunlich!

 

 

Auf unserem Platz haben wir eine tolle Grillmöglichkeit und man braucht dem Gärtner nur die Uhrzeit nennen, wann man beginnen möchte und er macht pünktlich die Kohle heiß. Das ist mal ein Service! Das nutzen wir mit Fabian zusammen gern aus. Wir können ihm zu Mexico einiges erzählen und er gibt uns viele tolle Tipps für jedes Land in Südamerika mit auf den Weg. Wir freuen uns schon drauf! 

 

@ Fabian: Toll, dass Du uns beigebracht hast, dass man Grenzübergänge auch nach Schönheit auswählen kann und wo diese Highlights zu finden sind! Wir werden an Dich denken an den jeweilgen Grenzposten ;-)

 

 

Und dann ist Weihnachten. An Heiligabend tigern wir zu dritt nach San Marcos ins Restaurant. Die Gerichte sind alle seehr gesund hier und auch seehr lecker! Ein bisschen bunte Weihnachtsdeko haben sie im Ort hängen, die Kirche und der Pappbaum davor leuchten durch farbenfrohe Lichterketten, aber ansonsten passiert heute nicht viel. Normalerweise arten ja die Feierlichkeiten zu Weihnachten und Ostern in solchen Ländern enorm aus. Es finden sonst große Prozessionen statt, über mehrere Tage wird ein großes Bohei gemacht. Das fällt dieses Mal leider alles aus.

 

 

Von unserem Platz aus haben wir sogar von hier schon einen guten Blick auf den Fuego, einen sehr aktiven Vulkan, der alle paar Minuten große Aschewolken in den Himmel hustet. Im Dunkeln kann man sogar die rotglühende Lava herausschießen sehen. Fantastisch! Wir kommen ja demnächst noch näher ran. Wie faszinierend muss das dann erst sein, wenn ich jetzt schon bei einem hellroten Fleck in der Ferne ausflippe?!

 

Fabian macht sich auf den Weg, dafür kommen neue Gäste aus den USA, Danny und Emily, mit ihrem Van dazu. Wir kennen die beiden schon aus Oaxaca und sie haben die letzten 10 Monate ebenfalls in Mexico verbracht. So sieht man sich wieder, selbst in Zeiten, in denen kaum mehr Reisende unterwegs sind. Wir gucken abends zusammen in das Dunkel und freuen uns einen Keks, sobald der Fuego wieder was ausspuckt! Herrlich!

 

 

Wir verbringen einen super lustigen Silvesterabend mit den beiden und dann ist doch glatt dieses verrückte und dennoch sehr schöne Jahr vorbei! Das mitternächtliche Feuerwerk der Seedörfer ist gut zu sehen, das Licht reflektiert in den Wolken und im See. Hier ist man offensichtlich nicht der Ansicht, dass Raketen anzünden die Ansteckungsgefahr erhöht…

 

@ alle: Ich wünsche Euch ein wunderschönes, gesundes, neues Jahr 2021 mit hoffentlich mehr guten Nachrichten als im nun alten Jahr! Ich hoffe, wir tragen einiges zu möglichst positiven Geschichten bei!

 

 

Nach ziemlich kühlem Neujahrsschwimmen im Lago lassen wir dieses ruhige Fleckchen Erde hinter uns. Sooo schön schlafen konnten wir hier, aber es gibt ja noch viel zu sehen in diesem Land. Dazu müssen wir allerdings die gruselig steilen, engen Serpentinen wieder hoch. Diesmal mit vorher eingelegter Untersetzung und siehe da, so schlimm ist das Ganze den Berg aufwärts gar nicht mehr wie runter. Die, die danach noch kommen und auch gar kein Ende nehmen wollen, hatte ich sogar schon ganz vergessen. Aber ein Vergnügen sind und bleiben Serpentinen für mich einfach nicht. Hoch, runter, rechts, links, eier, eier... Alles dauert 4 Mal so lange. Und sehen tut man auch oft nix. Meistens sind ja doch rechts und links Bäume oder eben der jeweilige Berg, die einem alle Sicht irgendwohin versperren. Es sei jedem gegönnt, der daran Spaß findet, aber ich hab’s schon immer fürchterlich gefunden und es wird leider nicht besser. Auch im wahren Leben schätze ich Geradeaus wesentlich mehr als Rumgeeier. Blöd nur, wenn man sich dafür entschieden hat, mit dem Auto auch noch nach Südamerika zu fahren… Und da stehen in jedem Land auf unserer Strecke nun mal mehr mal weniger die Anden im Weg! Aber was tut man nicht alles, um am Ende des Weges wieder was Schönes zu sehen…!

 

 

Kaum sind auf diesem Weg die Kurven fast vorbei, kommen zur Temporeduzierung wieder Topez dazu, oder hier genannt „Tumulus“. Passt ja vom Geräusch her auch prima, so wie unser Aufbau hinten gerne mal tumultig rumst, egal wie langsam man drüberfährt. Aber auch das hat für heute ein Ende als wir bei einer Familie in CHICHICASTENANGO auf den Hof fahren, die seit 9 Monaten keine Reisenden mehr im Garten stehen hatte. Sie gucken auch dementsprechend etwas verdattert, aber lassen uns gern bei ihnen bleiben. Fast hätten wir deren Platz auch übersehen vor lauter rumstehenden LKWs.

 

Der Ort ist bekannt dafür, dass er den größten Markt Mittelamerikas beheimatet. Obwohl derzeit angeblich nicht ganz so viel los sein soll, herrscht gerade am Morgen ein solches Gedränge und Geschiebe wie am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt. Uiuiui, schnell ab in die katholische Kirche, auf deren Stufen jede Menge bunter Blumen und Sträuße verkauft werden. In der Kirche selbst herrscht wieder göttliche Ruhe. Hier werden christliche Rituale mit denen der Maya vermengt, so dass hier an manchen Tagen sogar auch schonmal ein lebendiges Huhn geköpft wird und an anderen wiederum ein „klassischer“ Gottesdienst stattfindet. Das nenn ich mal Religionsfreiheit.

 

 

Ansonsten gibt es viele bunte Farben zu bestaunen in Form von Kleidung, die die Indigenen gern tragen, über Obst und Gemüse bis hin zu farbenfrohen Masken, die ursprünglich mal zur Verballhornung der spanischen Eroberer bei Festtänzen eingesetzt wurden und auch heute noch werden. Frauen mit lebenden Hühnern stehen neben der Schlachterei und obwohl man sich in so einer Umgebung wie in eine andere Zeit zurückversetzt fühlt, findet man auch modernen Plastikkram, der selbst in diesen Gefilden nicht mehr wegzudenken ist. Nebenbei huschen einige Händler und Verkäuferinnen durch die schmalen Gassen und versuchen, Kopfschmerztabletten in Blistern ohne Verpackung oder wahlweise Armbändchen u.v.m. unters Volk zu bringen. 

 

 

Ein bisschen Pause von dem Trubel verschafft uns der Besuch des auch hier knallebunten Friedhofs. Der wirkt farblich sogar lebendiger als die Orte, die wir bisher in diesem Land gesehen haben. Im Gegensatz zu Mexico, wo schon Farbe an die Hauswand kommt, noch bevor der eigentliche Rohbau fertig ist, stellt sich in Guatemala langsam der Eindruck ein, dass hier gerne einfach nur die reinen Betonklötze aufeinandergestapelt werden, bis man es ein Haus nennen kann. Aber farblich passiert dann oft nicht mehr viel. Auf dem Friedhof mischen sich erneut Christentum und Maya-Kultur, denn es sind einerseits Kreuze auf den Gräbern, Grabhäuser bis hin zu kleinen Mausoleen zu sehen, aber gleichzeitig finden ein paar Feuerzeremonien statt, bei denen einige Maya flammenschürend in einem Singsang vor sich hin murmeln.

 

 

Nächster Stopp ist Antigua, nachdem uns die „Chicken Busses“ - umgebaute, meist bunt und aufwändig aufgemöbelte alte US-Schulbusse - ordentlich auf dem Weg eingequalmt haben. Rußpartikelfilter sind hier eindeutig ein Fremdwort und bei jedem Tritt des Busfahrers aufs Gaspedal wird man tiefschwarz eingeräuchert. Das wiederum scheint serienmäßig zu sein…

 

In ANTIGUA dürfen wir für lau auf dem Grasplatz der Touristenpolizei stehen, der sehr zentral in der schönen Stadt liegt. Hier ist mal wieder jedes der gedrungenen, alten Häuser in einer anderen Farbe gestrichen und auf den verwitterten Dachziegeln wächst oft schon das Gras. Auch die Straßen sind noch gepflastert statt geteert. Alles wirkt hier noch recht ursprünglich, allerdings versetzt mit ganz viel Orientierung an Gäste aus aller Welt, denn so ziemlich jedes 3. Haus beherbergt ein Restaurant oder Café, ziemlich gute sogar, wie wir finden. Selbst bessere Tacos als in Mexico bekommen wir vorgesetzt. Nach einem Bummel entlang der obligatorischen Highlights dieses Ortes treffen wir Fabian wieder, den wir am Lago Atitlan kennen gelernt hatten. Er ist ein paar Tage zuvor auf den ca. 4000 m hohen Acatenango hochgelaufen, um dem Vulkan Fuego bei Nacht und später bei Sonnenaufgang beim Feuerspucken zuzusehen. Allerdings bedeutet das Minusgrade auf der Bergspitze, ordentlich eisigen Wind, Höhenluft, stundenlanges Hochlaufen (die meisten brauchen 7 Stunden) und mit müden, wackligen Beinen ebenso stundenlanges wieder Runterkraxeln. Das Ganze manchmal mit dem Ergebnis, nur auf Wolken statt auf einen ausbrechenden Vulkan zu sehen. Nix für uns, wie wir finden... Ohne Akklimatisierung sich von jetzt auf gleich wandernd in solche Höhen zu schwingen war ja schon am Popocatépetl in Mexico keine Freude.

 

 

Was allerdings eindeutig machbarer für uns Flachlandtiroler klingt und wesentlich lohnender ist der Aufstieg auf den gerade sehr aktiven VULKAN PACAYA. Der hat nicht nur konstante Ausbrüche, sondern sogar einen Lavafluss zu bieten, an den man nahe rankommt. Außerdem ist das Exemplar nur 2500 m hoch und man kann bis 1800 m hochfahren. Ich finde Vulkane und Lava schon seit Kleinauf faszinierend und wollte immer mal in die direkte Nähe dieser rot-gelb glühenden Masse. 

 

Das Wetter zeigt für heute gelbe Bällchen an, die nächsten Tage soll es schonmal bewölkter werden. Also gleich los! Morgens beim Frühstück ist der Himmel auch noch strahlend blau, aber als wir Richtung Pacaya fahren, kommen immer mehr Wolken hinzu. Am staubigen Parkplatz zum Start des Wanderwegs ist es schon dauergrau und zum Gipfel hin sieht es sogar regnerisch aus. Hm, was tun? Den Nachmittag hier nur rumsitzen und dann morgens noch vor Sonnenaufgang hoch, wenn es wieder aufklaren soll? Nee, das ist es irgendwie auch nicht. Wir packen also warme Sachen ein, alles an Fotoausrüstung und wir schauen mal, wie weit wir heute kommen. Der etwa 5 km lange Weg nach oben ist schon recht steil und ein bisschen geröllig. Schnauf! Berge erklimmen sind wir echt nicht gewöhnt. Die Sicht ins Tal ist gar nicht mal schlecht, Felder und Städte gut zu sehen. Der Wind wird immer kälter. Gut, dass wir Winterklamotten dabei haben.

 

Und dann kommt man um eine Biegung und hat auf einmal einen ganz tollen Blick auf den Gipfel mit dem riesigen Lavageröllfeld davor. Und das immer wiederkehrende Geräusch, dass wir schon eine Weile von unten hören, das so klingt, als würde Wellblech ganz laut irgendwo aufschlagen, das sind doch tatsächlich die fauchend-scheppernden Vulkanausbrüche! Bei Tageslicht sind sie merkwürdiger Weise gegen den noch hellen Himmel gar nicht zu sehen. Nur ein bisschen Rauch und Gas ist zu erkennen. Aber dafür haben wir schon einen Blick auf den rot-schwarzen Lavafluss, wenn die Wolken die Sicht freigeben! Auch auf dem Geröllfeld tauchen immer wieder glühende Flecken auf. Da müssen wir unbedingt hin! Man kommt wirklich bis zu 5 m heran. Immer wieder bricht die hier am unteren Abschnitt schon z.T. erkaltete Masse wieder auf und gibt ihr feuriges Inneres frei. Mist, die Grillwürstchen vergessen… Es ist auch ganz puschelig warm hier. Dabei huschen Wolken am Vulkan hoch und fliegen in Fetzen an uns vorbei. Gleichzeitig erzeugt die Hitze des Magmas mal bläuliche, mal gelbliche Rauschschwaden. Über dem Geröllfeld flimmert die Luft. Eine Stimmung wie in Mordor. Ganz beeindruckend!

 

 

Zum späten Nachmittag klart dann doch tatsächlich ganz plötzlich alles auf. Wir nutzen dies aus und suchen uns einen Punkt für die beste Aussicht auf das Feuerspektakel in der nahenden Dunkelheit. 

 

 

Auf einem Hügelkamm sieht es aus wie bei Engelchens und Teufelchens. Auf der einen Seite des Hügels weiche, wattebauschige Wolken in pastelligen Sonnenuntergangsfarben und ein Fenster dazwischen wie das Tor zum Himmelreich. Der ruhige, erloschene Vulkan Agua wirkt ganz sanft eingebettet in diesen Flausch und hat sogar fast einen Heiligenschein aus restlichem Sonnenlicht auf. 

 

Und auf der anderen Seite das komplette Gegenteil, wie das Tor zur Hölle. Ein schon in Dunkelheit gehüllter, schwarzer Vulkan, der wütend sekündlich Feuer und Magma weit hoch in den sternenklaren Nachthimmel pustet. Rauch- und Gaswolken verpuffen rötlich in die Luft. Je dunkler die Nacht wird, umso kräftiger leuchten die Eruptionen. Wahnsinn, was für ein Spektakel! Das haut echt um!!! Es ist überhaupt nicht möglich, sich daran satt zu sehen. Dazu noch der Lavafluss, der nun im Dunkeln als gleißendes Band den Berg hinabfließt. Jetzt kann man auch viel besser erkennen, dass es noch mehr glühende Stellen unter dem Geröllfeld gibt. Wären wir weiter reingelaufen, hätten wir wohl ziemlich heiße Füße bekommen…

 

 

Irgendwann müssen wir uns aber auch mal wieder losreißen, wir müssen ja noch die ganze Strecke wieder runter. Erst die weiche Asche auf steilen Pfaden quasi herunterrutschen und dann noch den steinigen Weg bergab. Das ist doch anstrengender als bergauf und die Beine werden müde. Aber der Tag hat scheinbar sein Feuerwerk noch nicht komplett abgeschossen, denn von weitem sind zum einen die Explosionen des Fuego zu sehen und zum anderen werden Wolken in der Ferne durch ein Gewitter angeblitzt, während darunter die Städte hell erleuchtet die Nacht anstrahlen. Ein toller Anblick! 

Müde zurück am Auto angekommen - wir können zum Glück auf dem Parkplatz übernachten - können wir sogar noch vom Sofa aus Pacayas Ausbrüchen weiter zusehen. Fantastisch! Was für ein Tag! Und dabei sah es zwischenzeitlich nicht gerade vielversprechend aus, was das Wetter anging. Und dann sowas! Kaum zu glauben!

 

@ Jacques: Is that the magic you were talking about?

 

 

Morgens parkt auf einmal die Touristenpolizei neben uns. Sie sind aber wieder nur neugierig und machen sogar Fotos mit uns und geben noch fleißig Reisetipps fürs Land mit auf den Weg. Dann fahren wir zurück nach ANTIGUA und nuckeln wieder viel zu schwer beladenen LKWs auf einspurigen Serpentinen hinterher. Wir hatten in der Stadt noch einige schöne Restaurants erspäht und auch sonst noch nicht alles abgehakt. Ein Kunsthandwerksmarkt hier und ein Schokomuseum dort. Und dann hatten wir von anderen Reisenden einen Kontakt zu Michael bekommen, der zwar aus Deutschland stammt, aber schon seit über 30 Jahren in Antigua lebt. Wir werden auch gleich bei ihm zu Hause eingeladen. Interessant finde ich, dass bis vor 20 Jahren hier sogar nur Leute mit Pferd durch die Stadt zu ihren Feldern geritten sind, ansonsten war hier quasi nix los. Und nun dieser Verkehr, der sich tagtäglich durch die engen Gassen schiebt, so viele Menschen und Tourismus mehr… Was für eine Veränderung! 

Danny und Emily sind auch schon wieder aufgetaucht und alle sechs gehen wir was essen. Zum Abschied versorgt uns Michael sogar noch mit diversen Kontakten, sei es im nächsten Ort oder auch für die Verschiffung nach Kolumbien. Ganz fantastisch!

 

 

Ein Freund Michaels, Celso, lebt in SAN AGUSTIN ACASAGUASTÁN. Und da wir uns freuen, wenn wir zwischendurch Einheimische kennen lernen dürfen, machen wir dort entsprechend Halt. Er kümmert sich rührend um uns und hat schon um einen Stellplatz bei Freunden auf dem Hof organisiert. Hier lebt auch eine weitere Familie, die uns neugierig den ganzen Tag umringt. V.a. die Großmutter ist erstaunt, wo wir in ihrem eigenen Land schon alles waren, da ist sie selbst bisher noch nie hingekommen. Man lebt oft recht bescheiden auf dem Land, ist mit dem was man hat zufrieden und stellt auch keine hohen Ansprüche. Und viele kommen auch nicht weiter als bis zur Dorfgrenze. Manchmal wird einfach Zeit mit Herumsitzen verbracht, man ist einfach nicht so schnell gelangweilt wie in schnelllebigen Industrienationen, in der oft eine Sensation die andere jagen muss. Keiner ist hier schnell genervt wie bei uns, keiner wird angekeift, wenn er einen Fehler macht und alle sind dadurch wesentlich gelassener und freundlicher. 

 

Die ganze Mannschaft - man hat hier scheinbar echt Zeit - führt uns zu Kaffeetrocknungsfeldern, wo die schon von den Früchten gereinigten rohen Bohnen auf fußballfeldgroßen Flächen ausgebreitet und dann immer wieder von Arbeitern gewendet werden. 5-7 Tage dauert das bei dem trockenen Klima dieser Gegend. Von hier aus kann man aber auch schon die Hochlandregion sehen, in der der Kaffee angebaut wird und dort ist es zu feucht für sowas. 

Abends gibt’s für alle das tägliche Standardgericht auf dem Land: Bohnenmus mit frischen Tortillas plus Rührei und wir schwingen dann noch gemeinsam schnackend in den Hängematten. Mit Spanisch den Abend bestreiten geht mittlerweile offenbar auch ganz ordentlich. Zumindest verstehen sie, was ich meine und ich kann deren Sätze auch entschlüsseln. Das macht schon einen bedeutenden Unterschied, wenn man sich verständigen kann.

 

Die erlebte Gastfreundschaft geht auch noch über das Gemeinschaftsgefühl hinaus. Weder durften wir heute für unsere Wassertankbefüllung oder den Stellplatz noch für das Abendessen zahlen. Und eine Einladung in ein Café o.ä. als Dankeschön unsererseits wird auch abgelehnt. Was willste machen? Einfach genießen!

 

 

Danach geht’s ins vergleichsweise kühle Hochland bis kurz vor COBÁN und wir stellen uns mitten in einen Orchideenpark. Es ist ordentlich dauerfeucht. Überall Farne und tropfnasse Bäume. Und es ist so richtig, richtig ruhig hier, sogar tagsüber. Kein Verkehrslärm dringt hier rüber, selbst die Hunde sind meistens still. 

 

Beim ersten Blick könnte man meinen, es blüht gerade recht wenig an Orchideen, aber wir bekommen dann viele Miniatur-Arten gezeigt, die wir selbst gar nicht entdeckt hätten. Manche Blüten davon sind gerade mal 2 mm groß. Der Park hat es sich zur Aufgabe gemacht, überall dort, wo Wälder im Land gerodet werden, verschiendeste Orchideenarten dort einzusammeln und sie im Park auf den Bäumen wieder anzusiedeln. Und leider wird auch in Guatemala viel zu viel an (Regen-)Wald vernichtet, denn der sich wie überall auf der Welt unkontrolliert vermehrende Mensch braucht immer mehr Feuerholz zum Kochen, Ackerland und Weideflächen… 

 

 

Ein Stück weiter liegt eine KAFFEEFINCA. Es ist sogar gerade Erntezeit - immer zwischen November und April. Die reifen, rote Früchte werden noch immer von Hand geerntet und nachmittags tragen die kleinwüchsigen Guatemalteken die fast zentnerschweren Säcke dann auf ihrem Rücken durch die z.T steilen Felder zum nächsten Verarbeitungsschritt, dem Aussortieren. Die Auslese wird von den Fruchthüllen befreit, gewaschen und fermentiert. Anschließend folgt der Trocknungsprozess der rohen Bohnen, entweder in großen Maschinen (mit Holz befeuert… oh Mann…) oder eben auf Feldern wie in San Agustin. Dann geht’s in alle Welt. Dort muss auch noch geröstet und verkauft werden. Was für ein Aufwand, um morgens ein bisschen schneller wach zu werden! 

 

Und die beste Qualität exportieren sie und behalten nur einen geringen Prozentsatz davon hier. Im eigenen Land verkaufen sie meist minderwertige Ware. Daher ist es hier - wie auch schon in Mexico - auch gar nicht so einfach, guten Kaffee zu bekommen. Mit der Schokolade ist es dasselbe. Es gibt hier wirklich keine dolle Schoki. Statt dessen exportieren sie eigenen Kakaobohnen lieber und importieren sie dann verarbeitet wieder als sowas wie Schogetten (echt jetzt!), statt sie selbst in wirklich leckere Tafeln zu verwandeln… Export bringt halt mehr Geld… Da hatten wir in Hamburg direkt ein Kakao-Kontor mit bester Schokolade u.a. aus genau diesen Ländern ums Eck und haben uns schon darauf gefreut, solche Tafeln direkt hier vom Erzeuger zu bekommen. Und nun sitzen wir hier und sehnen uns statt dessen nach dem fantastischen deutschen Angebot an hochwertiger Schoki und Kaffee… Schluchz!

 

 

So schnell kommen wir hier aber nicht weg, denn Jumpy hat schon in Mexico, kaum, dass wir aus Oaxaca rausgefahren sind, schon wieder angefangen, hinten zum rumpeln. Eben dort hatten wir aber nunmal alle Blattfederbuchsen tauschen lassen. Wie kann das denn schon wieder sein? Hinüber nach 50 statt 50.000 km? Wir sind insgesamt mit dem Auto grade mal 28.000 km gefahren und jetzt schon der zweite Wechsel trotz regelmäßiger Fettung?! In Mexico waren allerdings nur No Name-Dinger zu bekommen. Jumpys Fahrwerk wurde extra verstärkt und daher wird eine andere, seltene Marke für die Buchsen benötigt statt die von Toyota. Alle Mechaniker hier in Coban schütteln den Kopf. Nee, die können sie nicht besorgen, nie von gehört. Manche kommen noch auf komische Gedanken, wie extra Schrauben durch die Blattpakete zu bohren. Na, das kann ja wohl kaum richtig sein. Na super, so wie die Buchsen mittlerweile sogar schon von außen aussehen, können wir nicht weiterfahren. Wir hatten noch auf etwas mehr Durchhaltevermögen gehofft. Ist schon erstaunlich, wie einem solche kleinen Plastikscheißerchen das Leben bzw. die Fahrt schwer machen können… Aber dann spuckt das oben auf der Finca fast nicht existente Internet doch noch eine Werkstatt aus, die die benötigte Marke vertreibt. Es ist kurz vor Wochenende, schnell noch hingefahren und siehe da, eine junge, engagierte Mannschaft auf einem echt sauberen Hof (Seltenheitswert! Manche reparieren hier Autos einfach direkt im Gubbel, also wirklich Gubbel!) hat die richtigen Teile da und wird sie am Montag einbauen. Da denkt man, es geht nicht weiter und dann aus heiterem Himmel ploppt auf einmal ganz unerwartet eine ziemlich optimale Lösung auf!

 

Solange es an diesem Ort mal nicht dauernieselt, vertreiben wir uns die Zeit bis zum Wochenanfang damit, mal wieder ordentlich unsere Bude auf links zu krempeln und für die Weiterfahrt schick zu machen. Dann bekommt Jumpy fast schon fürsorglich die neuen Buchsen eingebaut. Der Werkstattleiter will noch nichtmal die Arbeit dafür bezahlt bekommen, sondern nur die Teile. Statt dessen erhalten wir lieber noch einen Kontakt im Ort Flores obendrauf und ein paar weitere Ideen für Zwischenstopps. Nicht zu fassen! Wir sind baff! 

Auf geht’s.

 

 

Wir hoffen auf besseres Wetter als im Hochland, aber es bleibt regnerisch und nass. Der erste neue Tipp, den wir erhalten hatten, führt uns zum Nationalpark HUN NAL YE. Mit 10 km/h ruckeln wir eine gefühlte Ewigkeit über die schlaglochübersäte, matschige Piste. Die neuen Buchsen können gleich mal zeigen, was sie können… Der Park hat zwar heute Ruhetag, aber vielleicht können wir ja dennoch wenigstens dort übernachten und dann morgen rein. Erst ist niemand da außer ein Pfau, der um uns herumscharwenzelt und uns eindeutig mit seinem bunten Rad und seinem vibrierend wackelnden Bürzel beeindrucken will. Seine Mädels sitzen wie die drei Damen vom Grill auf ebensolchem. Der Restaurantpart scheint irgendwie schon länger nicht mehr benutzt. Da kommt ein schlecht gelaunter Angestellter vorbei und macht uns deutlich, dass wir hier heute nicht bleiben können, auch wenn wir ja nichts brauchen, nur einen Platz zum Stehen. Nein, erst morgen wieder. Wir sollen doch bitte draußen vor dem Nationalpark im kleinen Dörfchen anfragen. Hm, na denn. Das tun wir also und werden von einem freundlichen Restaurantbesitzer und gleichzeitig Dorfpfarrer auf einen Kaffee eingeladen, aber die Unterhaltung läuft nur mäßig, da wir gerade mit der ganzen Situation nix anfangen können und uns ein bisschen fehl am Platz fühlen. Es regnet immer noch. Sollen wir wieder wegfahren, sollen wir überhaupt morgen in den Park, wird ja wohl wieder nass von oben. Zumindest für eine Übernachtung hier vor Ort entscheiden wir uns. „Interessante“ Plätze bekommen wir angeboten, bis es dann am Ende eine Kuhweide wird, worauf ein einsames Exemplar sein Dasein fristet. Die Jungs des Pfarrers reißen sogar den halben stacheldrahtigen Weidezaun ein, damit wir da überhaupt reinkommen. Jumpy hat jetzt jedenfalls unter allen Reifen jede Menge müffelde Kuhfladen, wir muckeln uns bei dem trüben Wetter gemütlich ein und sehen aus dem regenverschwommenen Fenster.

 

 

Leider sieht’s am nächsten Morgen auch nicht besser aus und Hun Nal Ye hätten wir uns angesehen wegen des türkisen Flusses mit Hängebrücken und Badeteichen. Aber bei Regen kein Türkis und auch keine Badelaune. Also den Holperweg wieder zurück. Reinfall und „rainfall“ liegen eben wohl nicht umsonst so nah beieinander… Am besten fahren wir wohl so lange, bis die Sonne wieder scheint. Am nächsten Ort ist es schon dschungeliger und es sieht zunächst auch alles etwas fröhlicher aus, aber dann zieht es sich auch hier wieder zu und pladdert regelmäßig. Wir haben zwar auf der gesamten Reise bisher wirklich viel Sonne gehabt, aber kaum, dass es mittlerweile seit einer Woche nur trübes Wetter herrscht und ständig nass ist, nervt es langsam, denn das Leben wird so stark auf das Auto beschränkt. Und es macht ebenso trübe Gedanken. Solche wie: Ob die Grenzen von Kolumbien zu Ecuador dann wohl rechtzeitig wieder öffnen? Kann man in diesen Zeiten überhaupt die maximale Aufenthaltsdauer dort verlängern, falls nötig? Können wir Jumpys temporären Import dann nochmal ausdehnen? Was wird überhaupt mit der Verschiffung? Bekommen wir ein vernünftiges Angebot? Das erste hat uns preismäßig fast umgehauen und das für die paar Meter auf dem Meer. Aber wir warten noch auf weitere Kostenvoranschläge. Und wann hört eigentlich endlich dieser Pandemie-Wahnsinn auf? Usw., usw… Machen kann man hier auch nichts außer rumstehen, es gibt keine Wanderwege, der Fluss ist trüb, man kann einfach nur in den Dschungel gucken. Schön zwar, aber es ist tiermäßig so überhaupt nichts los. Kaum ein Mucks aus den ganzen Bäumen. Die sind wohl auch alle maulig. Eins hat der Ort hier aber doch, es ist keine Zivilisation drumherum und daher wohltuend still. Und abends leuchtet die ganze Wiese vor lauter Glühwürmchen!

 

 

Nächster Versuch, einem Tipp zu folgen. Der „Blaue Krater“ sei ein natürlicher, türkiser Pool in einer Flusslandschaft. Die Sonne heizt wieder ordentlich ein und macht Lust auf eine Abkühlung. Vielleicht wird’s ja dieses Mal was mit dem Baden. Entweder macht man eine Bootstour dahin oder man kann direkt zum „Krater“. Theoretisch jedenfalls, denn erst ist nichts ausgeschildert, dann bekommen wir die Info, dass man über eine private Finca dorthin gelangt, aber die Wegmarker, die dazu beschrieben werden, müssen wir auch diverse Male hinterfragen, da hier an jeder Ecke eine Kirche wie auch eine Schule oder auch ein Tante-Emma-Laden ist. Dann ist zwar die besagte Finca gefunden, aber die stellen sich etwas seltsam an mit dem Zugang zum Wasser. Die Madame dort erzählt mir irgendwas vom Pferd und will dann für eine Übernachtung mit null Service drumherum das doppelte haben, was hier so landesüblich ist. Nee, Leute, dann doch zum Bootsanleger. Hier ist es auch schon ganz schön, alte Bäume spenden Schatten (heute wieder erwünscht), das Wasser ist sauber. Wir werden von den Leuten hier gefragt, ob wir denn über Nacht hier stehen wollen. Als wir bejahen, machen sie große Augen und meinen, dass wir das doch bitte lassen sollten, das wäre hier nicht sicher. Hm, ok. Wo denn? Im Ort vielleicht. Nee, da reagieren auch alle Befragten etwas ratlos, was ein sicheres Plätzchen angeht. Na, die haben ja alle eine Meinung hier von ihrer eigenen Nachbarschaft. Aber bitte. Die werden’s wohl wissen. Also nochmal ein Stück weiter. Auf einem Gutshof, der recht nobel aussieht, finden wir dann kurz vorm Dunkelwerden endlich einen Platz zum Übernachten. Was ein entspannter Badetag werden sollte, ist zu einem einzigen Durch-Die Gegend-Gegurke geworden. Und ich bin nicht einmal ins Wasser gesprungen…

 

 

Bestimmt wären die Ziele der letzten Tage auch lohnenswert gewesen, aber es hat nunmal nicht so geklappt, wie es sollte. Manchmal ist das eben so. Durch die Reise sind wir mittlerweile so verwöhnt davon, dass unterwegs immer wieder Belohnungen für die gefahrene Strecke auf einen warten, dass es ganz ungewohnt ist, wenn das mal nicht ständig so ist. Kann ja auch nicht jeden Tag ein Vulkan explodieren…

 

Dass FLORES ein hüsches, buntes Städtchen auf einer Insel im LAGO PETÉN sein soll, macht Hoffnung, dass dies wieder ein kleines Highlight werden kann. Über den Werkstattleiter in Cobán haben wir den Kontakt zu Andrea bekommen, die uns einen Miniparkplatz direkt auf der Insel zeigt. Sie hätte da ein Auge drauf, ihr Kiosk und ihre Wohnung liegen direkt in Sichtweite. Duschen dürften wir auch bei ihr. Wie jetzt? Wir können auch hier wieder als völlig Fremde bei ihr reinspazieren und sowas Privates wie ihr Bad nutzen, während sie vornean weiter im Kiosk arbeitet. Sie lebt in einer einfachen Ein-Zimmer-Wohnung. Die Decke besteht aus nacktem, bröckelnden Beton, die Wände schimmeln hier und da, das Bad ist ganz simpel. Als Dusche kommt bloß ein blankes Rohr aus der Wand, aber es kommt ja Wasser raus, also erfüllt es seinen Zweck. Als Möbel stehen hier nur ein Bett und eine Kommode, an der Decke leuchtet eine blanke Glühbirne. Fenster gibt es nicht. Aber die Wände sind frisch in einem kräftigen Orange gestrichen. Und was hängt da einsam als Deko an der Wand? Ein Holzschild auf dem steht „La vida es bella“ - Das Leben ist schön! Und sie selbst strahlt die entsprechende Fröhlichkeit dazu aus. Wir denken an unsere Stimmung in Bezug auf die letzten Tage zurück, nur weil mal ein paar Tage keine Highlights passieren und die Pandemie-Auswirkungen sind wie sie sind und können uns hieran mal ein Beispiel an Genügsamkeit nehmen…!!!

 

Flores selbst hätten wir uns schöner und größer vorgestellt. Es ist zwar ein bisschen bunt, hat aber auch nicht viel Besonderes. Von nachmittags bis abends brummen enorm viele Autos und Mopeds direkt bei uns um die Ecke. Kommen die alle, um hier in die Bars und Restaurants zu gehen? So viele gibt’s ja bald gar nicht, um die nicht enden wollende, laut kreischende, laute Musik spielende und laut motorisierte Masse aufzunehmen. Bei dem Lärm können wir uns auch lieber selbst unter die Menge mischen, dann lässt sich das besser aushalten. Aber die Restaurants sind kaum besetzt. Auf die Frage hin, was die da alle machen, heißt es, das sei hier ein Hobby. „Hacer una vuelta“ oder einfach eine Runde drehen. Aahh ja…! 

 

 

Ein Sprung per Boot auf die andere Uferseite ermöglicht einen schönen Blick über Flores. Auf dem Weg zum Mirador klettern zwei Brüllaffen ganz nah an uns vorbei. Hm, komisch. Vor einem Jahr wären wir vor Begeisterung ausgeflippt. Aber kaum, dass wir 2 1/2 Monate im Dschungel verbracht haben und diese Gesellen unsere direkten Nachbarn waren, ist es fast schon selbstverständlich, sie zu sehen. Dschungel = Affen, ist doch klar, oder? Beim anschließenden Kaffee am See lässt die Umgebung aber irgendwie den Eindruck entstehen, als wären wir irgendwo in Italien.

 

 

Nun steht TIKAL an, ein riesiges Gebiet mit lauter Maya-Pyramiden. Wir waren nicht ganz sicher, ob sich das lohnen würde, da wir in Mexico ja schon einige schöne Pyramiden gesehen haben. Aber diese hier sind das Wahrzeichen des Landes und wir haben schließlich Zeit. Übernachten können wir ganz direkt am Eingang des Nationalparks und die Tierwelt gibt schonmal alles, um uns zu beeindrucken. Eine Art Truthahn mit schillernd buntem Gefieder und gelben Böbbels auf dem Kopf gibt sich die Ehre und spaziert zu mehreren durch die Gegend. Diese existieren nur in dieser Region und noch in Teilen Yucatans, sonst nirgends auf der Welt. Toll! Krokodile schwimmen durch einen entengrützigen Teich, fast schon handzahme Coatis flitzen herum und die „Geräuschevögel“ haben jetzt endlich auch einen Namen: Oropendulas. Statt vor ihren exotischen Rufen einen Kraspellaut von sich zu geben, turnen sie hier an den Ästen bei jedem Ruf kopfüber und spreizen die Flügel. Schräge Vögel! Die Geräusche überhaupt sind wieder herrlich tropisch und machen gute Laune.

 

 

Um den Sonnenaufgang zu sehen, stehen wir dank rechtzeitigen Affengebrülls um 5 h auf. Irgendjemand hatte gestern noch gemeint, dass der Sound der Dinos in Jurassic Park von diesen Tieren aufgenommen wurde. Jetzt, wo sie’s sagen…! Noch im Dunkeln stapfen wir durch den Dschungel über dicke Wurzeln und vorbei an wild rankenden Lianen, um zur höchsten Pyramide zu gelangen. Es ist faszinierend, dabei zuzuhören, wie der Wald langsam erwacht und immer mehr Tiere ihre Rufe, Schreie, Gezwitscher oder sonstwas von sich geben. Uns wurde gestern noch erzählt, dass es doch tatsächlich Jaguare hier gibt und durchaus schon nachts oder in der Dämmerung gesichtet wurden. Na, das wär doch mal was! Aber nee, keiner da. Oder vielleicht doch und er hat uns aus dem Dunkeln heraus heimlich beobachtet...

 

Pünktlich zum Tagesanbruch sitzen wir dann oben auf dem besagten Tempel. Der Sonnenaufgang versteckt sich noch hinter waberndem Nebel, der über dem Dschungel liegt. Er zieht um die hier und da aus dem scheinbar endlosen Blätterwald lugenden Pyramidenspitzen und erzeugt eine sehr mystische Stimmung! Die Tucane hier sind so zahlreich, dass sie sogar die Brüllaffen übertönen. Papageien schnattern, Grillen zirpen. Ach, ist das schön! 

 

 

Die ganze Anlage ist wirklich sehr weitläufig und man darf auch auf viele Ruinen hinaufklettern. Die nächste liegt im Komplex der „verlorenen Welt“. Oben angekommen lichtet sich der Nebel und die Sonne scheint warm auf die umliegenden Tempel. Das ist eine wunderschöne Aussicht! Andere Pyramiden wiederum sind kaum ausgegraben, der gesamte Bewuchs ist noch vorhanden, so dass sie oft einfach nur wie steile Hügel aussehen. Andere sind noch mit Moos und Wurzeln bewachsen, manche sind komplett freigelegt. Die Mischung macht hier auch den Reiz aus. 

 

Und dann schwingt sich sogar noch eine Bande Klammeraffen mit ihren langen, dünnen Armen und Beinen direkt über unseren Köpfen von Ast zu Ast. Bisher haben wir diese Art nur von Weitem gesehen. 

 

Nach 7 Stunden, von den erklettern Tempeln ermüdeten Beinen und ziemlich verschwitzt verlassen wir dann die Anlage. Das hat sich aber wirklich gelohnt und wir sind froh, hierher gekommen zu sein!

 

 

In EL REMATE nicht weit von Tikal können wir uns direkt neben einem Steg mit vielen Palapas am LAGO PETÉN stellen. Das Wasser ist kristallklar und sauber, perfekt für eine schöne Abkühlung nach dem schwülen Dschungel. Der Steg gehört zu einem Restaurant auf der anderen Straßenseite und ist daher von immer wieder neuen Gästen bevölkert, sei es zum Essen oder zum Baden. Immer was los. Nur morgens für unseren Kaffee setzen wir uns ganz ungestört vornean hin und genießen die ruhige Austrahlung des Sees. Die Temperaturen sind angenehm und es lässt sich hier gut stehen, so dass wir doch glatt fast eine Woche bleiben und immer wieder neue Lichteindrücke von den überm Wasser gebauten Palapas bekommen. 

 

@ Uschi & Wolfgang: beim Baden am Steg muss ich immer an "Sauerkraut" in Bettmar denken ;-)

 

Auch die Verschiffung nimmt weiter konkretere Züge an, auch wenn der Gedanke daran es nicht gerade zu meinem Lieblingsprojekt werden lässt. Aber unsere Agentin kümmert sich umfassend darum und das macht wiederum ein gutes Gefühl.

 

 

Bevor wir unseren letzten Ort in Guatemala erreichen, den wir noch mit Jumpy zusammen verbringen, legen wir noch einen Zwischenstopp bei einer Finca ein. Auf dem Weg dahin fliegen wieder unzählige Weiden mit kläglichem Restbaumbestand vorbei, die deutlich machen, wieviel Dschungel hierfür abgeholzt wurde und wieviele Tierarten dadurch verdrängt wurden. Aus Tikal kommend haben wir ja den direkten Vergleich, wie das eigentlich hier aussehen könnte. Und dann stehen nur selten Kühe auf den riesigen Wiesen. Ressourcenverschwendung für nichts…!

 

Die Umgebung der Finca besteht aus lauter Karsthügeln, die wir bei einer Wanderung besteigen. Hier steht zu einer Seite Tannenwald zur anderen Seite fast nur noch kahle Hügel. Im Hintergrund sind ständig Motorsägen zu hören. Mann, Mann, Mann, wann kapiert der Mensch eigentlich, dass es nicht so weiter gehen kann! 

 

 

Und dann erreichen wir ein kleines Örtchen nahe RIO DULCE. Dort hat ein Guatemalteke mit deutschen Wurzeln seinen Wochenend-Bootssteg, auf dem ein kleines Häuschen gebaut ist mit Küche, Bad und Sitzgelegenheiten. Das ist sehr schön gelegen und ein guter Ort, um die letzten Vorbereitungen für die Verschiffung zu erledigen. Kaum die Hängematten aufgespannt, melden sich Danny und Emily an, dass sie vor dem Tor stehen und nun auch ein paar Tage hier verbringen wollen. Das ist ja super! Das ist nun schon das 5. Mal, dass wir uns über den Weg laufen! Die Welt ist doch klein! Wir tauschen Guatemala-Erlebnisse aus und genießen bei nem Gläschen Wein den herrlich kitschigen Sonnenuntergang. Das ist immer so angenehm unkompliziert mit den beiden. 

 

 

Zusammen fahren wir zu einem heißen Wasserfall in der Nähe. Der unten entlang führende Fluss ist angenehm kühl bei der Wärme, wobei der Wasserfall von einer separaten, heißen Quelle gespeist wird und wie eine immerwährende, mollige, ordentlich massierende Brause wirkt. Das ist ganz großartig! Ich könnte ewig darunter stehen bleiben. Fast überall, wo man hierzulande für Übernachtungen unterkommt, gibt es nur kalte Duschen. Da muss erst ein Wasserfall kommen, um einem endlich mal wieder warmes Nass von oben zu bescheren… Ein entspannendes Natur-Spa! Und klettert man hoch zur Quelle, verbrennt man sich sogar wirklich die Füße, wenn man nicht schnell genug wieder trockenen Boden erreicht. Das ganze Szenario zusammen mit dem Wald und den wild rankenden Wurzeln ist echt schön! 

 

 

Der Bootsausflug zu viert nach LIVINGSTON stellt sich windbedingt auf dem weitläufigen See als eine zunächst sehr ungemütliche Aktion heraus. Das Plastikboot knallt unbequem hart auf die Wellen und ich bin froh, als der See sich zu einem Flusslauf zwischen dschungeligen Canyonwänden verengt, so dass der Wind nicht mehr so angreifen kann. Dieser Part ist wirklich schön, wie nun einheimisches Leben am Fluss und immergrüner Wald an uns vorbei ziehen. Irgendwann weitet sich der Canyon und mehr karibisch wirkende Häuschen stehen am Ufferrand. Livingston selbst ist dadurch besonders, dass hier die einzige Gemeinde der Garifunas lebt, eine Mischung aus früheren Sklaven und Kariben, die hier und in Belize Zuflucht gesucht haben. Wir laufen auch direkt dem Oberhaupt dieser Gemeinde per Zufall in die Arme, der uns durch sein Viertel führt. Aber so richtig anders als die Wohnviertel der Guatemalteken sieht es auch nicht aus, z.T. bunte Häuser oder Bretterbuden mit trocknender Wäsche davor. Aber das Mittagessen aus Fisch mit einem Pamps aus grünen Bananen mit Maniok soll zumindest sehr typisch sein. 

Nachmittags stürzen wir uns dann noch in die warmen, karibischen Fluten, bevor es bei deutlich weniger Wellengang wieder zurück geht.

 

 

Tags darauf verlassen uns Danny und Emily leider schon wieder. Erst wissen wir gar nicht, was wir hier noch eine ganze Woche machen sollen, bis Jumpy in den Hafen muss. Und dann haben wir doch irgendwie jeden Tag gut zu tun. Entweder mit organisatorischen Dingen zur Erledigung des Papierkrams oder mit Jumpys Grundreinigung. Wassertank säubern, Ecken in allen Staukisten ausputzen, Oberflächen reinigen, etc. Erstaunlich, wie man sich mit so wenig Quadratmetern dann doch so lange beschäftigen kann. Zur Profi-Autowäsche mit Außen-, Unterboden- und Motorreinigung brauchen die Jungs sogar 3 Stunden. Und das für nen Appel und nen Ei. Obwohl ich unser Auto von außen als gar nicht so dreckig empfunden habe, sieht man nun doch sehr deutlich den Unterschied. Alles leuchtet und glänzt und sieht wieder fast wie neu aus. 

 

Und was die Verschiffung angeht, hatte ich am Anfang doch ziemliche Bedenken, ich weiß gar nicht, auf was genau bezogen eigentlich. Aber kaum, dass ich diese in Antigua gegenüber Michael geäußert hatte, hat er seine Schiffahrtskontakte angezapft und unsere Agentin Berrit (übrigens auch aus Norddeutschland) hat sich von sich aus bei uns gemeldet, ganz ohne unser Zutun. Und dann ging irgendwie alles fast wie von selbst. Und da sie alles an Organisation nicht nur fürs Auto, sondern auch für uns in die Hand genommen hat und so viel für uns mitgedacht hat, gab es sogar für mich gar keinen Anlass zur Sorge mehr. 

 

Und was auf jeden Fall immer wieder schön ist, ist die tägliche Sonnenuntergangskulisse über dem See.

 

 

In der Hafenstadt PUERTO BARRIOS angekommen, ist Berrit zusammen mit Frank, dem Azubi des Unternehmens, sogar auch vor Ort, um uns zu unterstützen. Und das, obwohl Sonntag ist und sie beide sicherlich Besseres tun könnten! Erst läuft auch alles prima mit Jumpys Verladung in den Container. Nur am Tag darauf wird’s nochmal hakelig. Im Hafen wollen sie Torben als Fahrzeughalter nochmal persönlich sehen und er soll dabei sein, wenn der Container vom Zoll geöffnet wird. Normalerweise sollte seine Anwesenheit eigentlich nicht notwendig sein. Es klingt erstmal wenig kompliziert, aber manche Vorschriften widersprechen sich und es dauert, bis der Container überhaupt in den Hafen gelangt wegen langer Warteschlangen von LKWs. Vorher wurde vom Fahrer noch ein Dokument vergessen und wer weiß, was sich noch alles an Zwischenfällen ereignet, die Berrit zum Glück von uns fern hält. Beim Anblick der vielen Container mit Chiquita-Logo kommen mir Gedanken an Begriffe wie "Bananenrepublik"... Die Wartezeit vertreiben wir uns mit „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ (kennt man hierzulande sogar auch) oder mit Mittagessen am Wasser. Die Zeit zieht sich, wir wollten jetzt eigentlich schon in Guatemaly City sein, aber Berrit tut alles, um den Leuten Beine zu machen. Und dann ist es endlich soweit. Sie und Torben dürfen in den Hafen und jetzt auf einmal reicht es, dass Torben nur den Ausweis zeigt. Keine Besichtigung mit dem Zoll. Plötzlich können sie es dann doch allein. Jetzt sind jedenfalls alle Behörden glücklich, Jumpy da wo er hinsoll und wir dürfen endlich gemeinsam Richtung Hauptstadt düsen. Gut, dass wir vor Ort so viel Unterstützung hatten! Wären wir allein hier gewesen und hätten allein eine hinderliche Aussage nach der nächsten bekommen, ohne das Prozedere oder die relevanten Ansprechpartner zu kennen, ich wäre wohl wahnsinnig geworden von so viel Hin und Her. Und dass Berrit und Frank mit einem Mietwagen hier sind, erspart uns sogar auch noch die Fahrt mit einem Bus.

 

@ Berrit: Gaaanz lieben Dank nochmal für Deine großartige Organisation und Unterstützung! Toll, dass Du so viel für uns mitgedacht hast und uns sogar bei unserer Orga außerhalb der Verschiffung unter die Arme gegriffen hast! Bleib so, wie Du bist und viel Glück und Erfolg für was immer Du Dir auch vornimmst!

 

 

In GUATEMALA CITY kommen wir dadurch erst um 22 h an. Müde fallen wir in unserer leider schimmelig müffelnden Unterkunft ins Bett. Irgendwie ist das jetzt aber auch schon egal. Die nächsten 3 Tage bleiben organisationsreich. Sei es mit Buchungen für Cartagena, Buchungen für angebliche Rückflüge, dem Ausfüllen von Formularen und Installieren von Apps, was jetzt alles wegen Corona für die Einreise nach Kolumbien notwendig ist. Ohne diese kein Einsteigen ins Flugzeug. Dann kommt noch die Nachricht hinzu, dass die Vulkane Fuego und Pacaya ordentlich an Aktivität zugenommen haben, dass wegen des entsprechend hohen Ascheanteils in der Luft nun auch noch Warnstufe gelb für den Flugverkehr ausgerufen wurde. Oh nee! Der Ausbruch des Eyafjallajökull in Island hat uns ja schonmal eine Reise zerschossen, das reicht! Aber die Meldungen dazu scheinen sich wieder zu beruhigen.

Am letzten Tag steht dann auch noch der PCR-Test für uns beide an. Wir fühlen uns gesund, aber das Ergebnis braucht 5 Stunden, bis wir es zugesendet bekommen, so dass dann doch immer eine Unsicherheit bleibt, ob das Resultat am Ende nicht doch noch unseren morgigen Flug platzen lässt, Jumpy aber dann schon unterwegs ist. Aber ist geht gut aus, beide „negativ“. Puh! Schon aufregend das alles…

Zwischendurch gehen wir mit Berrit und ihrem Chef was essen. Sie kommen beide aus derselben norddeutschen Ecke wie Torben und alle haben sie zufällig irgendwelche gemeinsamen Bekannten und ich habe zumindest in der Gegend studiert. Das ist echt schräg!

 

Eigentlich hatten wir online ein Taxi zum Flughafen geordert. Aber nachts um kurz vor 3 h steht keins vor der Tür. Ein Anruf dort ergibt die Antwort, dass keine Reservierung vorhanden sei. Bis zur Bitte, uns dann eben jetzt eines zu uns zu schicken, kommen wir erst gar nicht. Die Verbindung ist abgebrochen und lässt sich auch bei erneuten Anrufversuchen nicht wiederherstellen. Unser Telefon erzählt uns, dass unser Prepaid-Guthaben aufgebraucht sei, was aber nicht stimmt. Ok, dann eben schnell die Sachen greifen und nach draußen. Die vielen Sicherheitsleute, die tagsüber irgendwas bewacht haben, werden ja wohl nachts erst recht vor den diversen Eingängen stehen. Vielleicht können die für uns ein Taxi ordern. Aber nichts da. Nachts scheint Guatemala City ein Paradies der Sicherheit zu sein, denn es ist keine Security weit und breit zu sehen. Und auch sonst herrscht Totenstille. Kein Mensch, kein Tier, kein Auto. Es ist wie verhext. Panik kommt auf, denn wir hatten gehört, dass Berrit noch vor kurzem sogar bei 2 1/2 Stunden Vorlauf vor dem Flug diesen am Ende fast verpasst hätte, da nur ein Check-in-Schalter offen und die Orga der Airline chaotisch war. Und das war auch mitten in der Nacht. Alles hat bis jetzt geklappt und dann scheitert jetzt der Flug an diesem dämlichen Taxi? Das darf doch wohl nicht wahr sein???!!!

 

Wir hetzen mitten auf der Straße entlang, um irgendwen anzutreffen oder um wenigstens schnell zu einem Taxistand mit weißen Taxis zu gelangen, auch wenn wir noch die Warnung im Ohr haben, dass wir doch bitte nicht die weißen nehmen sollten... Haben wir grade eine Wahl??? Da kommt ein Moped angefahren und hält auf unser Gewinke hin an. Nein, sein Prepaid-Guthaben ist auch aufgebraucht. Das wird hier also auch nichts. Ein Auto fährt heran und bleibt zum Glück ebenfalls stehen. Statt ein Taxi zu rufen, bringt er uns einfach gleich zum Flughafen. Erleichtert steigen wir ein. Er überfährt jede rote Ampel, die sich in den Weg stellt. Ist ja auch eh nix los. Aber er folgt wenigstens brav den Ausschilderungen, dahingehend müssen wir uns also keine Sorgen machen. Am Ende will er allerdings das Vierfache eines Taxipreises. Da sogar das noch günstig ist und ich keine Kraft nach dieser Aktion mehr und schon gar nicht um diese Uhrzeit habe, gebe ich ihm das Geld und bin froh, rechtzeitig angekommen zu sein. Und was ist? Etliche Schalter haben geöffnet, es geht alles zügig voran und wir können gemütlich in den Flieger steigen, sogar mit noch etwas Wartezeit vorab. Uffz! Das Blöde an der Zukunft ist nunmal einfach, dass man sie nicht kennt… Hätten wir das gewusst, hätten wir die Herfahrt zumindest etwas entspannter gestalten können.

 

So sitzen wir also nun im voll besetzten Flieger. Das Bild, dass sich dann kurz nach Abflug bietet, ist schon merkwürdig. Alle schlafen sie da mit ihrem Mundschutz, als hätte ihnen jemand eine Narkosemaske aufgesetzt und drömeln nun selig vor sich hin. Und ich bin wie immer die einzige, die im Sitzen nicht schlafen kann… Dafür habe ich wenigstens einen schönen Blick auf den Sonnenaufgang über den Wolken und das vor lauter Wolkenkratzern wimmelnde Panama City. Dort haben wir noch einen kurzen Zwischenstopp, bevor es dann endlich mitt 11 Monaten Verspätung nach Kolumbien geht. Und Jumpy macht derweil irgendwo da unten eine Karibik-Kreuzfahrt.

 

 

FAZIT GUATEMALA:

 

Aufenthalt: 2 Monate

gefahrende km: 1.645 und nicht ganz so viele Topez wie in Mexico…

gesamte km: 24.911

 

Dafür, dass wir das Land eigentlich gar nicht eingeplant hatten, Corona uns aber auf diese Route geschickt hat, hat es uns doch erstaunlich gut gefallen. Die Überlegung, dass es doch bestimmt genauso aussähe wie das südliche Mexico, muss ich auf jeden Fall revidieren. Guatemala hat doch viel Eigenes. Und es hat uns ein Wahnsinns-Spektakel mit dem Vulkan Pacaya beschert. So aktiv, wie er in den letzten Tagen gerade ist, darf man dort aktuell gar nicht mehr ran, wie wir es erlebt haben. Schwein gehabt!

 

Die indigene Bevölkerung mit ihren bunten Trachten war ebenso interessant kennen zu lernen wie auch die Menschen insgesamt, die immer freundlich waren, aber gleichzeitig doch bescheiden. Und dadurch, dass das Land so klein ist, haben wir dieses Mal gar nicht so viel fahren brauchen, um die unterschiedlichsten Gegenden zu erkunden. Das war auch mal ganz angenehm.

 

Kommentare: 2
  • #2

    Berrit Backhaus (Donnerstag, 04 März 2021 16:12)

    Halli Hallo ihr zwei beiden,
    vielen vielen Dank fuer die Moeglichkeit Euch einen kleinen Moment bei Eurer Reise begleiten zu duerfen. Wir haben uns sehr gefreut Euch kennen zu lernen und hoffen dass sich unsere Wege eines tages nochmals kreuzen. Bis dahin wuenschen wir Euch nur das Beste.

  • #1

    Daniel (Sonntag, 10 Januar 2021 23:09)

    Hallo ihr zwei!
    Ein Freund hat mir von eurem Blog erzählt und dass ihr noch Infos zu Kolumbien brauchen könntet. Also ich war vor 2 Jahren dort und habe noch Kontakt zu zwei Leuten dort. Einer arbeitet in einer Behörde in Bogota. Vielleicht sollten wir mal telefonieren, dann könnt ihr mir genauer erzählen was ihr für Infos braucht.
    Ich würde euch dringend arten, Kolumbien nicht auszulassen. Ich war damals von Mexiko bis Kolumbien unterwegs und die Kolumbianer habe ich dabei echt ins Herz geschlossen. Und auch das Land ist der Hammer. Von Meer bis mega hohe Berge gibts dort einfach alles. Ihr könnt ausprobieren, ob euer Auto auf 5000m noch fährt ;)
    Also gebt mir am Besten mal eine Mailadresse, damit wir weiteres ausmachen können, wenn ihr wollt.

    VG